Text, Foto: Vilsbiburger Zeitung, 06.02.2018; Grafik: EWS Consulting GmbH.

Muntere, aber faire Windrad-Debatte

Zwei Varianten stehen zur Debatte: Joachim Payr favorisiert die Standort-Variante 1, denn sie sei für alle nächstgelegenen Anwohner gleichermaßen ...

Rund 140 Anwohner kommen zum Informationstreffen im Bürgerstadl

Bodenkirchen. Strom aus Windkraft ist grundsätzlich gut. Diesen Satz hätten wohl fast alle der rund 140 Bodenkirchener und Vilsbiburger unterschrieben, die kürzlich zu einer Anliegerversammlung zum Thema Windrad bei Götzdorf/ Gassau in den Bürgerstadl gekommen waren. Aber mehr Gemeinsamkeit war nicht. Die eine Seite des Publikums argumentierte in der lebhaften Diskussion etwa so: Windrad ja, aber bitte nicht bei uns, denn es rechnet sich nicht. Von der anderen Seite hieß es: Lasst uns wenigstens überprüfen, ob der Standort überhaupt geeignet ist. Auf Letzteres läuft es hinaus. Sollten sich die politisch Verantwortlichen später pro Windrad entscheiden, würde es nach Stand der Dinge nicht vor 2020 gebaut werden.

 

Derzeit kommen zwei Standorte in dem Wald in Frage, der sich beiderseits der Gemeindegrenze erstreckt. Bei Variante 1 stünde das Windrad ziemlich genau im Zentrum der betroffenen Orte: Im Wesentlichen wären dies Hinterwimm, Holzen und Reichreit auf Vilsbiburger Gebiet, Sippenbach, Götzdorf und Gassau auf Bodenkirchener Seite. Variante 2 stünde wenige hundert Meter weiter nordwestlich, so dass sich der Schall und der Schatten eines Windrads dort mehr auf die Vilsbiburger Anlieger auswirken würden. Wohnhäuser wären im Fall der Variante 1 etwa mindestens 700 Meter vom Windrad entfernt, mindestens 500 Meter wären es bei Variante 2. Einen möglichen Zeitplan, wie es weitergehen könnte, legte Vilsbiburgs Klimaschutzbeauftragter Georg Straßer vor. Hier die wesentlichen Punkte: Nach einer artenschutzrechtlichen Prüfung in diesem Frühjahr steht im Herbst eine Windmessung an. 2019 werden die Ergebnisse bewertet und die Bürger informiert. Dem folgt eine Bauleitplanung, in der alle öffentlichen Belange abgearbeitet werden. Besonders geht es dabei um Schall- und Schattenemissionen. Schließlich wird geprüft, ob eine Anlage rentabel ist. Zum Schluss gibt es eine Ausschreibung und ein Finanzierungskonzept.

 

Projekt ist kein SelbstläuferGrossansicht in neuem Fenster: Bürgermeister und Verwaltungsleute diskutierten im Bürgerstadl mit Anliegern.

 

So weit der Zeitplan. Aber es kann auch ganz anders kommen. Klimaschutzbeauftragter Straßer betonte, dass jeder der genannten Posten im Laufe des Verfahrens auch negativ bewertet werden könne. Dies würde bedeuten, dass das Projekt gestorben ist, wenn auch nur einer der Punkte nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

 

Mit den Voruntersuchungen war das österreichische Unternehmen EWS Consulting GmbH betraut worden. EWS steht für Economic Wind Power Solutions, was so viel wie Ökonomische Windkraft-Lösungen bedeutet. Das Ergebnis der Voruntersuchungen präsentierte EWS-Geschäftsführer Joachim Payr. Folgt man seinen Angaben, entsprechen beide Standort-Varianten hinsichtlich ihres Schattenwurfs, des Schalls und des Infraschalls den Immissionsrichtwerten. Will heißen: Auch die Anlieger, deren Häuser die geringste Entfernung zum Windrad haben, werden nicht unzulässig beeinträchtigt. Ohne eine sogenannte Schattenabschalt- Automatik, die bei modernen Anlagen inzwischen zum Standard gehöre, geht es aber nicht. Abgeschaltet wird, wenn die zulässige Beschattungsgrenze erreicht ist.

 

Offen blieb die Frage der Windrad- Höhe. In seinen akribischen Ausführungen sprach Payr immer wieder vom Worst Case. Deshalb legte er ein Windrad mit einer Nabenhöhe von 166 und einem Rotordurchmesser von 150 Metern zugrunde. Gesamthöhe: 241 Meter. Zum Vergleich: Das Windrad bei Weihbüchl bringt es auf eine Gesamthöhe von rund 200 Metern.

 

Dass es überhaupt möglich ist, in Bayern ein Windrad in diesen Dimensionen zu errichten, erstaunt zunächst. Denn nach der sogenannten 10-H-Regel muss der Abstand zwischen Windrad und Wohnhaus mindestens zehn Mal so weit entfernt sein, wie die Anlage hoch ist. Schon bei 200 Metern wären dies also mindestens zwei Kilometer. Im Falle des Weihbüchler Windrads griff diese Regel noch nicht. Und im Fall einer möglichen Anlage bei Götzdorf kommt eine andere Möglichkeit ins Spiel: die klassische Bauleitplanung. Klimaschutzbeauftragter Straßer zeigte dem Publikum im Bürgerstadl dazu ein entsprechendes Schreiben an die Bürgermeister, das vor einem Jahr der Innen- und Bauminister und seine Kollegin vom Energieministerium verfasst hatten. Die kommunale Bauleitplanung wird darin als „Schlüssel für einen weiteren Zubau der Windenergie in den kommenden Jahren" bezeichnet. Außerdem ist die Rede von einem „fairen Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Energiewende und den zu berücksichtigenden Interessen der örtlichen Wohnbevölkerung".

 

Kritiker bezweifeln Daten

 

Mit Sätzen wie diesen können die Kritiker allerdings nur wenig anfangen. In der zur angenehmen Überraschung einiger Verwaltungsleute zwar sehr engagierten, aber disziplinierten Diskussion machten sie deutlich, dass sie den Darstellungen der Befürworter nicht trauen. Um ihre Sicht der Dinge zu bekräftigen, hatten die Skeptiker 91 Unterschriften gesammelt. In der Diskussion kritisierten die Wortführer, dass die Versammlung erst auf ihren Vorstoß hin terminiert worden sei – was die Verwaltung in Bodenkirchen jedoch zurückweist. Die Argumente von Bodenkirchens Bürgermeisterin Monika Maier, Vilsbiburgs Bürgermeister Helmut Haider und deren Verwaltungsleuten pro Windrad verfingen bei den Gegnern nicht. Sie sahen keine Demokratisierung, die zustandekomme, weil ein Projekt in kommunaler Hand ein Projekt für alle Bürger vor Ort sei. Und sie konnten auch kein Leuchtturmprojekt für die Energiewende vor Ort erkennen. Sie sorgten sich stattdessen um den Wert ihrer Immobilien, sollte das Windrad, das ein Anlieger als Ungetüm bezeichnete, gebaut werden. Und sie erklärten, dass jeder wisse, wie schlecht Süddeutschland als Windradstandort geeignet sei. Rentieren werde sich eine Anlage bei Götzdorf jedenfalls nicht.

 

Joachim Payr empfahl dringend, an einer für Betroffene geplanten Informationsfahrt nach Weihbüchl teilzunehmen, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Er vertrat die Auffassung, dass das Optische am Ende das Einzige sei, was von den Bedenken übrigbleibe. Mahnend fügte er hinzu: „Wenn wir die Energiewende nicht vorantreiben, werden die nächsten Generationen ein Problem mit der Klimaerwärmung haben."

 

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Zwei Varianten stehen zur Debatte: Joachim Payr favorisiert die Standort-Variante 1, denn sie sei für alle nächstgelegenen Anwohner gleichermaßen verträglich und wäre somit die gerechteste Lösung (Grafik: EWS Consulting GmbH).

Rechts

Bürgermeister und Verwaltungsleute diskutierten im Bürgerstadl mit Anliegern.